Die Cimbern - nur ein Name?

Festrede unseres Bundesbruders Avus anlässlich des 82. Stiftungsfestes am 20.05.1995

Einleitung

Schon lange beschäftigte mich die Frage, ob sich die Gründer unseres Bundes Gedanken über dessen Namensgebung gemacht haben oder aber einfach nur nach einer wohlklingenden und einprägsamen Bezeichnung suchten.

Hat man die Cimbern gezielt ausgesucht, so musste dieses germanische Volk sicher rühmliches vollbracht haben und es wäre eine Ehre, unsere 1913 gegründete Burschenschaft nach ihnen zu benennen. Wehe jedoch, die Gründer unseres Bundes suchten nur einen klangvollen Namen, ohne zu wissen, dass das Cimbernvolk unehrenhaft in die Geschichte eingegangen ist.

A u s l ö s e r, dieser Frage nachzugehen, war vor ein paar Jahren ein Urlaub am Gardasee. In 300m über Seehöhe saß ich bei einem Glas Rotwein auf der Terrasse unserer angemieteten Ferienwohnung und studierte eine Reiselektüre. Unter der Rubrik "FRÜHGESCHICHTE OBERITALIENS" fand ich einen kurzen Hinweis auf das Volk der Cimbern. Diese etwas dürftige Aussage gab mir genügend Anlass, mich nach Rückkehr aus dem Urlaub über Herkunft, Leben und Taten des Volksstammes der Cimbern (germanisch: Kimbern )zu informieren.

Der Name der Kimbern

Obgleich man wie nach der Heimat der Kimbern so auch nach der Bedeutung ihres Namens schon im Altertum forschte, ist doch die Frage erst in den Anfängen des 20. Jahrhunderts in befriedigender Weise beantwortet worden. Mal leitete man den Kimbernnamen aus dem altkeltischen Begriff "Cimb" ab, was so viel wie "Räuber" bedeutete - mal aus dem germanischen "Kibanrixari", worauf Kimber dann "der Zänker" wäre. Sowohl das eine als auch das andere nicht gerade schmeichelnd. Dagegen wird das angelsächsische Wort "cimbing" mit "Commisura" erklärt. Das lateinische Wort kommt von "Committere" und bedeutet "zusammenfügen" und bezeichnet die Stelle, wo zwei Dinge zusammenstossen, sich berühren. Dieser Sinn liegt auch dem deutschen Wort "Kimm" oder "Kimme" zugrunde und entspricht dem eben erwähnten angelsächsischen "cimbing", das in abgewandelter Form auch im Schwedischen und Englischen vorkommt und zum einen "Kerbe" und zum andern "hervorragender Rand" bedeutet. Im niederdeutschen wird mit Kimme der Horinzont bezeichnet.

Zusammenfassend wurde festgestellt: Das Wort KIMM, KIMME oder KIMMUNG setzt ein an der ganzen Nordseeküste verbreitetes altdeutsches Theme KIMBA voraus, mit dem Sinn KANTE, RAND, UFER. K I M B E R N bedeutet also : Leute vom Rand / von der Küste des Meeres / von der " Waterkant".

Die Herkunft der Kimbern

Und genau von der Küste des Meeres stammen die KIMBERN her. Aufgrund archäologischer Funde, literarischer Hinweise und Ortsnamenforschung gilt es heute als absolut gesichert, daß die Heimat der Kimbern im Nordwesten Jütlands lag. Alles spricht dafür, dass die Kunde von den Kimbern auf der dänischen Halbinsel - der Stätte ihrer einstigen Größe - nimmer verklungen ist, bis auf den heutigen Tag, wo in der Nähe von Aalborg ein letzter Nachhall, der heutige Landschaftsname "HIMMERLAND", in älterer Bezeichnung "HIMBERSYSOEL" mit dem alten, ruhmvollen germanischen Landschaftsnamen HIMBROZ geschmückt ist.

Das Aussehen der Kimbern

Die Hauptmerkmale des kimbrischen Menschentypus erfahren wir aus den Schilderungen der antiken Schriftsteller, den Bodenfunden - insbesondere den Gräberfunden in den jütländischen Mooren und in den römischen Bildwerken. Was dem Südländer zunächst auffiel, war der hohe Wuchs dieser fremden Menschen, die schon nach Caesars Zeugnis mit spottender Geringschätzung auf die kleinen römischen Soldaten herabblickten. Zu dem hohen Wuchs gesellte sich kräftiger Körperbau und gewaltige Stärke. Ihre wuchtige Erscheinung weckte bei den Römern Furcht und Angst, die noch durch die Schärfe und Wildheit der für Germanen typischen blauen Augenfarbe gemehrt wurde.

Die Kleidung

Die Kimbern fertigten ihre Kleidung aus heimischen Werkstoffen an. In ihrer frühen Zeit verwendeten sie ergänzend auch Tierfelle. Das raue Klima der Wintermonate erforderte zusätzliche Pelzumhänge vom Reh oder Schaf, die mit der Haarseite nach außen als Schutz gegen Regen und Wind getragen wurden. Doch nicht die tierischen Felle waren das gebräuchliche Material, aus dem man Männer- oder Frauenkleidung fertigte, sondern Wolle, die kunstfertige Hände zu dauerhaften Stoffen in reicher Naturfarbschattierung von Weiß über Braun und von Grau bis Schwarz verarbeiteten. Den Erzeugungsvorgang erläutern uns noch guterhaltene Funde von S p i n n w i r t e l n und Webegerichten. Es erregt immer wieder grobe Bewunderung, mit welcher Gleichmäßigkeit und Feinheit schon damals die Fäden gesponnen und die Stoffe gewebt wurden. Bis in die heutige Zeit sind uns solche Gewebe in reichlichen Mengen erhalten geblieben und zwar nicht nur in Reststücken, sondern als vollständige Männer- und Frauentrachten, die dänische Forscher aus den Baumsärgen der Moore in Nordjütland geborgen haben.

Die Stellung der Frau

Die Ehe bot der Kimbernfrau genug Raum, ihr ganzes Wesen zum Ansehen der Sippe zu entfalten. Auf den Mann warteten neben der arbeitsintensiven Feldarbeit noch Jagd, Fischfang oder aber auch Waffengänge. Die Frau dagegen schaffte im Haus und Garten, sie musste das Getreide auf dem Mahlstein reiben, Brot backen und für das Essen sorgen. Das Vieh verlangte seine Versorgung, Vorräte wie Getreide, Pilze und Beeren mussten eingebracht und für den Winter getrocknet werden. Waren die Kinder und das Haus versorgt, kümmerte sich die Kimbernfrau um die Kleidung: die Spinnwirtel klapperten, der Webstuhl rief zur Arbeit, aus Leder wurden Schuhe geschnitten und aus weichem Lehm wurden Töpfe und Schüsseln gefertigt. War ein Kind erkrankt oder kam der Mann verwundet nach Hause, so kannte sie Kräuter, die als Tee getrunken oder auf Wunden gelegt Heilung brachten und sie mischte aus Pflanzenpulver und Fett heilsame Salben. So war sie durch ihre Tüchtigkeit und Umsicht wahrlich Frau und Herrin in Haus und Hof, hochgeachtete Gefährtin des Mannes, ihren Kindern eine gute Mutter und Hüterin der Sitte und der heiligen Bräuche.

Bei den späteren Kimbernzügen ertrug sie alle Mühsal. Ging es dann um Sein oder Nichtsein, nahte der Kampf (zumeist gegen die Römer) sogar der Wagenburg, dem letzten Stück der Heimat, so feuerten die Frauen mit flehentlichen Bitten ihre Männer an, sie nicht in römische Sklaverei kommen zu lassen. In allerhöchster Not nahmen sie sogar am Gefecht teil, bereit, lieber mit dem Manne unterzugehen, als in schmachvoller Knechtschaft weiterzuleben. Solche Begebenheiten dürften Anstoß zur Entstehung des altnordischen Walkürenglaubens und der Brunhilde?Fabel in der Nibelungensage gegeben haben.

Die Hütten der Kimbern

Spätestens um die Mitte des 4. Jahrhunderts vor Christus waren - wo vom Schwarzen Meer her eine uralte Handelsstraße zur Weichsel, zur Ostsee und zum Westmeer führte - zu den Griechen Nachrichten von den Küstenvölkern der Nordsee gedrungen. Mit Staunen berichteten Zinn und Bernsteinhändler von den Leuten am fernen Ozean, die an einem Gestade wohnen, an das die Meereswogen mit einer Gewalt anbrausten, wie man sie am sanften Mittelmeer nicht kannte.

Mit noch größerer Verwunderung aber vernahm man, wie diese Meeresanwohner dreist ihre Hütten auf einem Gelände errichteten, das zur Flutzeit überschwemmt und jederzeit von den Meereswogen bedroht war und wie sie hartnäckig selbst den Springfluten standhielten, bis die Häuser dann doch eines Tages hinweggespült wurden und wie die fremdartigen Meeresanwohner diese immer wieder von neuem aufbauten, mit unglaublicher Zähigkeit auf dem heimischen Boden ausharrend.

Offenbar war das reiche Marschland mit seinen herrlichen Vierweiden, das - damals noch ausgedehnter als gegenwärtig und vermutlich noch unversehrt bis zum Westrand des heutigen Sylt und Amrum oder vielleicht sogar bis zum jetzt weit draußen im Meer liegenden GROSSEN JÜTISCHEN RIFF reichend - die Kimbern zu so zähem Ausharren veranlasste.

Hintergründe für die Kimbernzüge

Gewiss wären die Kimbern gerne auf dem heimatlichen Boden wohnen geblieben; aber dem schmalen Küstensaum reichen Marschlandes drohte Gefahr. Geschichtliche Schriftstücke bestätigen ausdrücklich, dass auch damals schon das Meer langsam aber stetig vordrang, also ebenso langsam und stetig ein Stück des fetten, schafernährenden Wiesenbodens nach dem anderen in den Fluten versank. Da hinter den reichen Marschen die unfruchtbare Geest, das tückische Moor oder aber endlose, bis an die Mittelgebirge reichende Urwälder - die man nicht zu roden verstand - lagen, konnten die Kimbern nicht ausweichen. Zudem wird infolge des germanischen Kinderreichtums die Bevölkerungszahl beständig zugenommen haben, so dass uns hier wohl zum ersten Mal die LANDNOT begegnet.

Ursache für den Aufbruch der Kimbern war also nicht abenteuernde Willkür, sondern Landnot und drückender Nahrungsmangel.

Die von antiken Schriftstellern belegte Verheerung des Küstengebietes der dänischen Halbinsel durch eine mächtige Sturmflut dürfte wohl nur der letzte zwingende Anlass zur Auswanderung um das Jahr 125 bis 120 vor Christus gewesen sein. Und so zog die Mehrzahl der Kimbern mitsamt den Frauen, Kindern und Wehrunfähigen in Richtung Süden.

Sie hatten von den dort liegenden reichen, sonnigen Ländern gehört, in die schon lange vor ihren die Kelten erfolgreich eingedrungen waren, um mit Güte und weniger mit Gewalt neue, gesicherte Wohnsitze zu gewinnen. Sie benutzten die alte Handelsstraße, welche sie die Elbe aufwärts zuerst nach Böhmen führte, wo sie von den dort hausenden BOJERN zurückgeworfen wurden. im Jahr 113 vor Christus begannen sie dann ihren gewaltigen Kampf gegen das römische Weltreich.

Die Kimbernzüge

Auf langsamen Zuge - denn nur in der Sommerzeit war man unterwegs, während der viel längeren, rauhen Zeit hielt man Rast - gelangten die Kimbern, kein bestimmtes Ziel suchend, gern durch Vertrag sich den Durchzug sichernd, den Waffenkampf meidend, immer mehr nach Süden.

So gelangten sie - nach dem Abdrängen durch die BOJER, an die DONAU, überschritten diese und wandten sich westlich gegen die Alpen. Dabei durchzogen sie das Land der SKORDISKER und drangen dann in das Gebiet der mit den Römern befreundeten TAURISKER ein.

Hier aber trat ihnen erstmals Rom entgegen, das, durch die Gold? und Eisenvorkommen in dieser Gegend , dieses Land als sein Interessengebiet betrachtete. So groß war die Ehrfurcht und Scheu vor der Macht Roms, dass die Kimbern nicht angriffen, sondern sich der Weisung des KONSULS PAPRIRIUS CARLO fügten, das Land unter römischer Führung zu verlassen. Die Führer hatten jedoch den Auftrag, die Kimbern in einen Hinterhalt zu locken, wo der Konsul ihnen mit seinen Heerscharen auflauerte.

In dem anschließenden Kampf bei NOREIA (in der Nähe des heutigen NEUMARKT IN DER STEIERMARK) siegten die Kimbern trotz des Verrats haushoch. Nur ein im Laufe des Kampfes ausbrechendes gewaltiges Gewitter und der durch die Nässe immer schwerer werdende Boden verhinderte die völlige Vernichtung des Konsularheeres.

Die Kimbern aber nutzten den Sieg nicht, sondern drehten sich nach Nordwesten, zogen über die Alpen und die Donau gegen den Main und trafen dort erstmals auf die zur gleichen Zeit nach Süden ziehenden TEUTONEN. Den Kimbern und Teutonen schloss sich ein Zweig der keltischen Helvetier, die TIGURINER an, an die heute noch der Name ZÜRICH (das alte TURICUM) erinnert.

Der weitere Zug führte die Scharen durch GALLIEN an die untere Rhone, wo ihnen 109 vor Christus ein römisches Heer unter dem Konsul JURINUS SILVANUS entgegentrat. Ihre Bitte, ihnen Land zu friedlichem Anbau zuzuweisen, wurde mit offener Feindschaft beantwortet. Doch der Angriff wurde abgeschlagen, das römische Lager erobert.

Wiederum erbaten die Germanenstämme durch Gesandte um Landzuweisungen beim römischen Senat. Es war nur allzu deutlich, dass nicht Eroberungslust diese vereinten Völkergruppen führte, sondern die Suche nach neuem Ackerland, nach einer neuen Heimat. Doch die Römer belächelten alle Bitten und lehnten abermals ab.

Die Germanenstämme trennten sich nun - vermutlich wegen innerer Zwistigkeiten.

Der Teutonenzug durchwanderte Gallien - die Kimbern zogen südwärts durch das Rhonetal. Dort standen ihnen 105 vor Christus drei römische Heere entgegen, bereit die Kimbern abzuwehren. Zwischen. dem heutigen ORANGE und AVIGNON wurden die drei römischen Heere unter dem jugendlichen KIMBERNKÖNIG BOJORICH vernichtend geschlagen. Die Römer selbst schätzten ihre Verluste auf 80.000 Krieger und 50.000 Troßknechte. Angeblich sollen nur 10 Römer über die Rhone schwimmend entkommen sein.

Die Sieger hatten offenbar vor der Schlacht nach einer auch sonst bezeugten germanischen Sitte sowohl Gefangene als auch die Beute in einem Gelübde den Göttern zum Siegopfer geweiht. Der TERROR CIMBRICUS - der kimbrische Schrecken - wurde nun zum Sprichwort.

Kein Heer mehr schützte nun Italien. Die Alpenpässe lagen offen vor den Kimbern. Doch diese hatten keinen Plan und am allerwenigsten gedachten sie, Rom zu erobern. So wandten sie Italien den Rücken, überquerten die PYRENAEN und drangen in SPANIEN ein.

Dort stießen sie auf hartnäckigen Widerstand der KANTABRISCHEN und KELTIBERISCHEN VÖLKER. Nach fast zweijährigen fruchtlosen Kämpfen wichen sie aus der Halbinsel, zogen an der BISKAYA entlang und verheerten Westfrankreich bis an und über die SEINE hinaus. Nahe dem heutigen ROUEN vereinigten sich erneut die KIMBERN, die TEUTONEN und weitere Wandervölker.

Sie beschlossen nunmehr, da ihnen der Weg nach Osten durch die vereinigten belgischen Völkerschaften versperrt, die Umkehr nach dem von ihnen selbst ausgesogenen gallischen Westen verleidet und im Norden den Schifflosen der Ozean verlegt war, die einzig freie Straße einzuschlagen, die nach Süden.

Auf diesem Wege fassten sie dann den Beschluss, nachdem sie weder in Spanien (die Kimbern) noch in Gallien (die Teutonen) Heimat gefunden haben, in Italien einzubrechen. Die Völker trennten sich erneut - vermutlich, weil für die vereinten Massen weder Wege noch Vorräte zur Genüge sich boten. Sie wollten in zwei getrennten Zügen, die TEUTONEN und AMBRONEN über die Seealpen, die KIMBERN und TIGURINER über die Pässe der Nordalpen in die Poebene einfallen.

Um es kurz zu machen: Die Niederlagen waren erschütternd. 102 vor Christus wurden die TEUTONEN bei AQUAE SEXTIAE (dem heutigen AIX EN PRVENCE) und 101 vor Christus die KIMBERN bei VERCELLAE (hier habe ich keine heutige Ortsbezeichnung gefunden) vernichtend geschlagen. Die Zahl der Gefallenen wurde mit 140.000, die der Gefangenen mit 60.000 angegeben.

Fazit

Das Zusammentreffen der Nordvölker mit dem Mittelmeerkulturkreis hatte letztendlich die hohe Überlegenheit des wohlgerüsteten und disziplinierten römischen Heeres und des hervorragenden Feldherren MARIUS erwiesen, über einen Gegner, der zwar heldenmütig kämpfte und große Kühnheit zeigte, der aber kein Ziel vor Augen hatte, der planlos handelte und dem eine vorausschauende, überlegene Leitung fehlte, zu siegen. Aber die erste große, schicksalhafte Begegnung mit den germanischen Völkern hatte das Sicherheitsgefühl der weltbeherrschenden Römer stark erschüttert; sie hatte die Germanen in das Blickfeld sowohl der Römer als auch der Griechen gebracht.

Zusammenfassend stelle ich Fest, dass - auch wenn sich die Gründungsväter unseres Bundes nach zuverlässigen Feststellungen unseres Bundesbruders Zeus den Namen unserer Verbindung mehr oder weniger nur deshalb aussuchten, weil er unter den damals existierenden Nürnberger Burschenschaften noch nicht vergeben war - dennoch eine gute Wahl getroffen haben; denn die Kimbern waren ein fleißiges, dem Grunde nach friedliebendes, doch wenn es darauf ankam mutiges und tapferes Germanenvolk, dessen Namen zu tragen den heutigen CIMBERN zu hoher Ehre gereicht.